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Karnevalsauftritt von Söder: Der Staatsmann als Karikatur

Karnevalsauftritt von Söder: Der Staatsmann als Karikatur

Faz.87 Days Ago

Karnevalsauftritt von Söder: Der Staatsmann als Karikatur

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Der Staatsmann als Karikatur: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder als Reichskanzler Otto von Bismarck beim Fasching in Veitshöchheim Bild: Imago

Mit seinem Auftritt als Bismarck wollte Söder sich selbst als eisernen Kanzler inszenieren. Unfreiwillig hat er aber etwas anderes gezeigt: Eindrucksvolle Politiker sind in Deutschland, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur in Verkleidung zu haben.

Was Markus Söder mit seinem Karnevalsauftritt als Otto von Bismarck bezweckt hat, lässt sich erahnen. Der bayerische Ministerpräsident, der sich in seiner Selbstinszenierung nur von der deutschen Außenministerin übertreffen lässt, wollte den Wählern mit einem Veitshöchheimer Grinsen zeigen, was für einen eisernen Kanzler sie in ihm haben könnten. Aber nicht nur, weil er erkennbar unter der Maske schwitzte, dürften die Wenigsten in ihm den Wiedergänger des großen Preußen erkannt haben. Söders Auftritt verwies vielmehr, unfreiwillig, auf eine Leerstelle: Einen Bismarck gibt es hierzulande nicht mehr; auch keinen Stresemann oder Adenauer. Eindrucksvolle Politiker sind in Deutschland, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur in Verkleidung zu haben, als ­Karikatur.

Manche betrachten das sogar mit Erleichterung. Von Größe habe man bekanntlich genug gehabt, sagen sie, zumal vermeintliche Verdienste aus heutiger Sicht befremdeten oder sogar von Schandtaten überlagert würden. In „progressiven Kreisen“ wird Bismarck nicht mehr vorrangig als gewiefter Einiger Deutschlands gesehen, der dem Land (nach dem Krieg gegen Frankreich) in einem angespannten europäischen Umfeld Jahrzehnte des Friedens schenkte, sondern als Wegbereiter eines übersteigerten Nationalismus und, fast schlimmer noch, als skrupellosen Ausbeuter ferner Kolonien. Selbst mit Konrad Adenauer kennen manche kein Erbarmen mehr. Im November wurde ein pro-europäisches Zitat des ersten Kanzlers der Bundesrepublik auf Betreiben der grünen Delegierten aus ihrem Parteiprogramm gestrichen, weil Adenauer „nicht feministisch und antifaschistisch“ genug gewesen sei.

Manche Bürger bedauern aber auch das geschrumpft wirkende Format ihrer Politiker und fragen sich, wo eigentlich die Wurzeln dafür liegen. Rein deutsche scheinen es nicht zu sein, wie ein Blick über die Grenzen illustriert. In Großbritannien, dem früheren Empire, blieb von den letzten fünf Premierministern nur einer in Erinnerung, Boris Johnson, und der wurde überwiegend von sich selbst als Erbe Winston Churchills betrachtet. Im Spanischen Königreich, zu dem ebenfalls einmal andere Länder aufblickten, kennt man seit Felipe Gonzales keinen Regierungschef mehr beim Namen. Selbst in den Vereinigten Staaten, der aktuellen westlichen Führungsmacht, ging es seit George Bush dem Älteren personell in Wellenlinien bergab. Zu den Ausnahmen von der Regel zählt der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, der strategisches Denken und Durchsetzungsvermögen mit persönlicher Aura zu paaren versteht.

Deutschland ist also kein Sonderfall, sieht man davon ab, dass die Deutschen vielleicht etwas weniger unter ihren Repräsentanten gelitten haben als andere Nationen. Sie hatten immerhin Angela Merkel, die sie wegen und nicht trotz ihrer Unauffälligkeit schätzten – die aber dennoch im Ausland als „leader“ bewundert wurde. Dass heute sowohl Merkel als auch ihr langjähriger Juniorpartner, der heutige Kanzler Scholz, so heftiger Kritik ausgesetzt sind und von vielen Bürgern plötzlich als unzureichend wahrgenommen werden, als irgendwie medioker, liegt nicht an deren glanzlosem Erscheinungsbild, sondern an (spät) erkannten politischen Fehlern, Versäumnissen und nicht erbrachten Leistungen.

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